Interview mit Mag. Dr. Katharina Bastl, Österr. Pollenwarndienst
20.03.2019

„Eine aussagekräftige Prognose braucht wissenschaftliches Know-how“

Es gibt mehrere Anbieter von Pollenprognosen. Wodurch unterscheidet sich der Österreichische Pollenwarndienst von anderen Serviceeinrichtungen?

Bastl: Der Österreichische Pollenwarndienst ist eine Institution, die wissenschaftlich arbeitet. Wir beziehen in unsere Prognosen immer mehrere Quellen mit ein: Pollenmessungen mit standardisierten und validierten Messmethoden, Wetterdaten, Luftqualitätsdaten, lokale phänologische Informationen – also die Beobachtung des Blühverhaltens der Pflanzen –, Symptomdaten und Vorhersagemodelle. Nur die Summe aus all diesen Quellen kann aussagekräftige Informationen liefern. Wir haben sogar als erste Forschungsgruppe im Feld der Aerobiologie die Maßstäbe für gute Polleninformation publiziert, da jeder Pollenwarndienst bis dahin ohne eindeutige Vorgaben gearbeitet hat.(1)

Wie kommen Sie zu Ihren Polleninformationen – geschieht das automatisiert?

Bastl: Unsere Vorhersage basiert auf händischen Auszählungen der Pollenkörner im Labor. Dafür haben wir österreichweit etwas mehr als 20 Pollenfallen, die Pollen in der Luft einfangen und von uns und unseren Partnern in den Bundesländern laufend ausgewertet werden. Derzeit gibt es keine automatischen Vorhersagemodelle oder Auswertungen, die all die genannten Quellen mit einbeziehen können. Es braucht zudem auch den menschlichen Verstand, um die Daten richtig zu interpretieren und zu gewichten.

Wie kommen Sie zu qualitätsgesicherten Daten und wie funktioniert die Qualitätskontrolle?

Bastl: Informationen zu Luftgüte und Wetterdaten kommen aus staatlichen Quellen und Institutionen, die ihre eigenen Qualitätskontrollen haben. Pollenmessungen und Phänologie werden von uns kontrolliert. Bei der Pollenmessung stellen wir sicher, dass die Pollenfallen funktionieren, also regelmäßig gereinigt, gewartet und überprüft werden. Wir vergleichen die Auswertungen der verschiedenen Analysten und organisieren für sie Schulungen zum Umgang mit den Pollenfallen, zur standardisierten Messung sowie zur Präparation und Auswertung der Proben. Im Rahmen einer Vollständigkeitsanalyse prüfen wir die Datensätze. Fehlen Daten, wird aktiv nachgefragt. Durch sogenannte Outlier-Kontrollen können wir feststellen, ob Abweichungen auftreten, ob diese real oder durch einen Fehler zustande gekommen sind. Diese Kontrollen übernehmen wir für den gesamten europäischen Raum. Wir sind übrigens die Einzigen in Österreich, die Vorhersagedaten validieren.

Wie kann ein Nutzer erkennen, ob ein Dienst seriös arbeitet und auf welche Services er vertrauen kann?

Bastl: Ganz wichtig ist: Es sollte eine wissenschaftlich tätige Institution im Hintergrund stehen. Das lässt sich ganz leicht feststellen, indem man in das Impressum schaut. In unserem Fall ist das die Medizinische Universität Wien. Hellhörig sollte man sein, wenn Quellenangaben fehlen oder nur eine Firma oder Privatpersonen hinter dem Service stehen. Ist im Impressum gar nichts angegeben, dann ist das meist dubios. Zusätzlich zum Impressum sollte eine Kontaktadresse für Rückfragen angegeben sein. Services, wie zum Beispiel Apps, ohne Kontaktadresse sind wenig vertrauenswürdig.

Welche Services des Österreichischen Pollenwarndienstes stehen dem behandelnden Arzt zur Verfügung und was bringen sie ihm in der Behandlung und Betreuung seiner Patienten?

Bastl: Für den Arzt ist das Pollen-Tagebuch eine sehr gute Unterstützung. Der Patient kann die eingetragenen Daten mit seinem Arzt teilen. Daraus kann abgelesen werden, wie die Beschwerden mit dem regionalen Pollenflug übereinstimmen, ob die Therapie den erwünschten Effekt erzielt oder ob die Therapie angepasst werden sollte. Dies funktioniert auch über einen langfristigen Beobachtungszeitraum. Zu sehen, wie sich die Beschwerden immer weiter verbessern, kann zusätzlich die Motivation der Patienten fördern, die Behandlung durchzuhalten.

 

1 Bastl K et al., Themedical and scientific responsibility of pollen information services; Wien Klin Wochenschr (2017) 129:70–74

 

 

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